1985 Octobre GUTE FAHRT (DE)

Wolfsburgs jüngstes Energiebündel: Ein neuartiger Ladeluftverdichter bringt das Polo Coupe auf 115 PS

Geringer Benzinverbrauch und hohe Leistung – das ist weiterhin eines der komplexen Entwicklungsziele moderner Automobiltechnik. Die Ingenieure von Volkswagen unternehmen soeben einen neuen großen Schritt auf diesem Weg. Sie statten einen kleinen Motor mit einer neuartigen Aufladung aus, die die Nachteile der Turbos und früheren Kompressoren vermeidet. Wolfsburgs neuer G-Lader bläst das Polo Coupe zu unerhörtem Temperament auf.

Das kleine Sportcoupé aus Wolfsburg erhält eine kräftige Portion mehr Leistung. Ganze 115 PS aus dem bescheidenen Hubraum von nur 1,3 Liter. Das ist schon ein starkes Stück, zumal das Polo Coupé damit in gewohnter Serienreife vom Wolfsburger Band rollen soll. Ganz nach Art des GTI – mit möglichst bulligem Drehmoment schon im unteren Drehbereich – zielt das Polo Coupé mit seiner neuen Motorisierung auf jene Leute, die ihren Fahrspaß im wendigen und agilen Kompaktauto finden.
Kernstück und Namensgeber des neuen Polo Coupé GT G40 ist ein neues Aufladesystem – der G-Lader. Anders als der übliche Turbolader, wird dieser Ansaugluftverdichter direkt vom Motor über Keilriemen angetrieben und liefert schon ab niedrigster Drehzahl die Ladung für ein hohes Drehmoment. Die Typbezeichnung ist der Technik im Innern des Laders entliehen: G steht schlicht für die G-förmigen Ladespiralen, 40 verrät das Maß ihrer Breite.
Die Bürde der höheren Belastung erträgt das aufgeladene Coupé streßfrei mit zahlreichen Zutaten modernster Autotechnik. Dazu gehören der hydraulische Ventilspiel-Ausgleich wie die Mikroprozessor-gesteuerte Zünd- und Einspritzanlage und das den höheren Geschwindigkeiten angepaßte Fahrwerk. G40 steht immerhin als Synonym für 85 kW (115 PS) bei 6000/min und für ein Drehmoment von 148 Nm bei 3600/min, womit sich der Polo aus dem Stand in nur 9 Sekunden auf 100 beschleunigen läßt. Die Höchstgeschwindigkeit ist mit 195 km/h gemessen.
Die Leistung eines Motors steigt mit seinem Luftdurchsatz. Dieser wiederum hängt von der Luftdichte ab. Durch Vorverdichten der Verbrennungsluft kann die Motorleistung gesteigert werden – ohne den Hubraum zu vergrößern. Mit der Technik des Vorverdichtens hatte man bereits in den dreißiger Jahren Rennmotoren aufgeladen und zur Leistungssteigerung verholfen. Bekannt sind heute noch die mechanisch angetriebenen Kompressoren jener Zeit mit ihrem spontanen Ansprechverhalten und der fülligen Drehmomentcharakteristik. Die Kompressoren von damals sind heute jedoch kaum brauchbar: Zu hoch war der Antriebsverlust, zu groß die Geräuschentwicklung. Der mittlerweile salonfähig gewordene Turbolader hat diese Nachteile nicht. Doch diesem vom heißen Abgasstrom angetriebenen Ladeluftverdichter fehlt das spontane Ansprechen beim Tritt aufs Gaspedal. Der Turbolader kommt erst bei höherer Motordrehzahl zur Sache, wenn die Triebkraft der Auspuffgase für das Turbinenrad ausreicht. Daraus ergibt sich der bekannt unwirtschaftliche Fahrbetrieb im unteren Drehbereich.

Eine zeitgemäße Lösung des Problems fanden die Wolfsburger Motorenbauer mit ihrem G-Lader. Ein altes Prinzip übrigens, das sich nach langer Entwicklungsarbeit nun an den schnellaufenden Motoren von heute realisieren läßt. In einem Gehäuse rotieren exzentrisch die Ladespiralen.
Besieht man das Innere des Laders, dann kann man an beiden Gehäusehälften jeweils die beiden Spiralgänge erkennen. Durch diese führt der Luftdurchsatz von der äußeren Eintrittsöffnung zu den Ausströmfenstern im Zentrum der Spiralen. Zwischen beiden Gehäusehälften rotieren die Verdrängerspiralen, von zwei Exzenterwellen geführt, und teilen gleichzeitig den Lader in seine einzelnen Spiralkammern. Die Bewegungen der Verdrängerspirale im Spiralgehäuse kann man sich etwa wie die Rotation eines Hula-Hoop-Reifens vorstellen.

Im Verlauf einer Exzenterwellen-Drehung öffnet das äußere Ende der Verdrängerspirale nacheinander die äußere und innere Spiralkammer am Lufteintritt – beide Kammern füllen sich. Im Weiterdrehen auf ihrer exzentrischen Laufbahn verschließt die Verdrängerspirale zunächst den Weg zur Außenluft und schiebt die eingeschlossene Luft zu den Ausströmkanälen im Zentrum der Nabe. Von dort aus gelangt die dann vorverdichtete Verbrennungsluft in den Motor. Der im Polo installierte G40 arbeitet mit einem inneren Verdichtungsverhältnis von 1,0, wobei ein Ladedruck von 0,72 bar erreicht wird. Die Besonderheit ist, daß diese Ladeleistung praktisch bei jeder Drehzahl bereitsteht.

Damit der hohe Wirkungsgrad erreicht werden kann – der G40 bringt rund 65 Prozent -, sind alle Spiralkonturen mit besonderen Dichtleisten versehen. Diese Elemente aus sogenanntem PTFE/Bronze-CompoundMaterial übernehmen gleichzeitig die Seitenführung des exzentrisch kreisenden Verdrängers im Spiralgehäuse.
Ansonsten hat der Lader einiges vorzuweisen, was auf Standfestigkeit und hohe Laufruhe schließen läßt. Da ist einmal die recht niedrige Relativgeschwindigkeit zwischen Ladespirale und Gehäuse. 5,13 m/s bei einer Laderdrehzahl von 10000/min sind nicht viel, zumal dieser Wert erst knapp unter der Motor-Nenndrehzahl erreicht ist. Die Schmierung der Antriebswellenlager geschieht direkt über den Motorölkreislauf, die Nebenwelle läuft in wartungsfreien Wälzlagern. Ein weiterer Vorzug des Systems ist das geringe Pulsieren der geförderten Luft an der Einlaßseite des Laders, was zu einem verminderten Ansauggeräusch verhilft.
Bevor die vorverdichtete und dabei aufgeheizte Luft in die Verbrennungsräume gelangt, durchströmt sie noch einen Ladeluftkühler. Dort wird sie um etwa 55 Grad abgekühlt, was wiederum höhere Luftdichte und Motorleistung bewirkt. Ganz ohne Ladedruckregelung geht es auch beim G40 nicht, denn unnütz aufgebauter Ladedruck kostet Kraft und Treibstoff. Aus diesem Grund wird, besonders im genügsamen Teillastbereich, zuviel geförderte Luft über eine gesteuerte Nebenleitung (Bypass) zur Lader-Einlaßseite drucklos zurückgeführt.
Mit dem neuen Ladesystem eröffnen sich dem Motorenbau bisher versagte Möglichkeiten: Spontanes Ansprechen des permanent angetriebenen Laders – also kein unwirtschaftlicher niedriger Drehzahlbereich wie mit dem Turbolader. Hoher und gleichmäßiger Drehmomentverlauf bereits im unteren Drehbereich – also eine elastische Kraftentfaltung, die auf hohe Drehzahlen im normalen Fahrbetrieb verzichten kann. Einfache Anpassung an derzeitige Katalysatorsysteme – also keine wesentlichen Änderungen der Abgasanlage, wie sie beim Turbolader nötig sind.
Folgerichtig wird es das Polo Coupé GT G40 denn auch gleich als starke Katalysator-Version geben. Mit lambdageregelter Abgasreinigung leistet das Triebwerk immerhin noch 82 kW (112 PS). Auch leistungsfreudige Autofahrer können bei solchem Angebot getrost auf die umweltfreundlichere Version setzen, zumal die um nur 3 PS geringere Leistung im Fahrbetrieb normalerweise kaum zu spüren ist.

Mehr Motortechnik
Motoraufladung, ob per Turbo oder Kompressor, bringt für viele Triebwerkssteile höhere thermische und mechanische Belastungen mit sich. Folglich erhielt der neue starke 1,3-Liter-Motor mit zahlreichen Modifikationen das Rüstzeug gegen den gestiegenen Leistungsdruck. Wesentlich ist die Umstellung des Ventiltriebs. Statt der bisherigen Schlepphebel betätigen neuerdings hydraulische Tassenstößel mit automatischem Ventilspielausgleich die Ein- und Auslaßventile. Speziell für den G40-Motor wurden noch die Ventilquerschnitte zur besseren Füllung vergrößert. Beibehalten ist das HCS-Verbrennungsverfahren (High Compression and Squish – hohe Verdichtung und Quetschspalt-Brennraum) und der in den Kolben verlegte Brennraum.
Der aufgeladene Motor arbeitet mit einer Grundverdichtung von 8,0. Den größeren Ölbedarf der Ventilhydraulik deckt nunmehr eine verstärkte, von einer Rollenkette angetriebene Ölpumpe.
Die Gemischbildung im aufgeladenen G40-Motor besorgt nunmehr das Digifant. Was sich wie ein Fabelwesen aus Disneys Wunderwelt liest, ist ein ausgeklügeltes elektronisches Einspritzsystem mit integrierter Kennfeld-Zündung. Ganz gleich, in welchem Last- oder Drehbereich der Motor gerade arbeitet, die Mikroprozessorgesteuerte Einheit liefert dazu immer die richtige Mischung und den optimalen Zündzeitpunkt. Im Zusammenspiel mit dem Klopfsensor, der Klopfgrenzenregelung und dem Kennfeld, läßt sich eine möglichst gute Verbrennung realisieren. Mit dem Digifant ist auch die Kat-Version bestückt. Dort werden lediglich die von der Lambda-Sonde im Abgasrohr gelieferten Signale zusätzlich berücksichtigt und von der Steuerelektronik die Werte für Zündzeitpunkt und Einspritzmenge entsprechend korrigiert.

Starkes Fahrwerk
Mit seinen Leistungen distanziert sich das Polo Coupé GT G40 deutlich vom Coupé GT. Entsprechend den gestiegenen Fahrleistungen, immerhin liegen diese zwischen jenen des Golf GTI und des Golf 16V, wurde kräftig ins Fahrwerk investiert: Der Wagen ist nun 20 mm tiefer gelegt und serienmäßig mit breiten Niederquerschnittreifen der Größe 175/60 R 13H auf Leichtmetallfelgen von 5 1/2 x 13 ausgerüstet. Härter abgestimmt sind die Federn samt Stoßdämpfer sowie die Lagerungen an den Querlenkern und Spurstangen der Vorderachse. Vorne sind die innenbelüfteten Scheibenbremsen mit 239 mm Durchmesser des Golf GTI eingebaut. Zur Serienausstattung zählt überdies das neue Fünfganggetriebe in sportlich enger Abstufung Wem diese kompakte Paarung moderner Autotechnik das Herz höher schlagen läßt, der muß sich dennoch etwas gedulden – das um knapp 20000 Mark veranschlagte Polo Coupé GT G40 wird erst ab Frühjahr ’86 lieferbar sein.

Manfred Finger